N'Abend zusammen!
Über den israelischen DJ und Produzenten Guy Gerber dürfte ich sicherlich nicht allzu weit ausholen müssen, bereichert der Gute doch schon seit etwa einem Jahrzehnt die elektronische Musikszene mit seinen genreübergreifenden Veröffentlichungen, die sich aufgrund ihrer atmosphärischen Qualitäten auch auf den hiesigen Tellerrandpfaden in guter Regelmäßigkeit wiederfinden lassen. Zur Zeit arbeitet der aus Tel Aviv stammende Gerber zwar an einem würdigen Nachfolger seines herausragenden 2007er-Jahrgang-Debütalbums „Late Bloomers“, welches auf dem eng mit seinem nicht unter den Tisch zu kehrenden Erfolgszug verbundenen Label Cocoon Recordings erschienen ist, die Chance eines kleinen EP-Einschubs als erstes musikalisches Lebenszeichen seit etwa zwei Jahren lässt er sich dennoch verständlicherweise nicht nehmen. Der zwischen eindringlichem Progressive House und deep verwurzeltem Techhouse changierende, frisch geschlüpfte Two-Tracker fühlt sich zwar nicht beim hauseigenen Label Supplement Facts heimisch, dürfte jedoch auch beim empfehlenswerten aufstrebenden Imprint Visionquest bestens aufgehoben sein.
Als aus meiner Sicht eindeutiger Höhepunkt der EP kristallisiert sich dabei gleich The Mirror Game heraus, welches mich bereits zu Beginn gehörig um den Finger zu wickeln weiß, indem es nachhall- und dunkelheitsaffine Synthietöne in den Ring schickt, die auf einem trockenen Untergrund thronend alsbald nachdrückliche Unterstützung in Form einer nicht minder tiefwurzelnden Bassgitarre erhalten. Alternative Flächenstücke sowie ein leicht verstörend verzerrtes Vocalsample verfeinern zudem abwechselnd die sich stetig dichter entwickelnde Klanglandschaft, die im weiteren Verlauf mittels subtil hinzugewonnener Basslineanleihen und immer spielfreudiger auftretender Synthietöne mehr und mehr melancholische Stahlkraft ausstrahlt. Die Melodieelemente geben sich hier derart gekonnt die Klinke in die Hand, dass dem Hörer fast gar nicht gewahr wird, wie stark er schon nach knapp zwei Minuten Spielzeit in den Rausch des hiesigen Stücks hineingesogen wurde, bevor fast unbemerkt eine weitere spannende Tonfolge in das Geschehen einzugreifen gedenkt und die vielseitige Melodieebene endgültig zum mehr oder weniger alleinigen Taktgeber des Tracks avancieren lässt. Wenn im Mittelteil nacheinander dann auch noch alternative Flächenstücke, weiter zerhackstückelte Vocalsamples und wehmütig agierende Tonspitzen die atmosphärische Intensität peu à peu hochpeitschen, das Ganze in seiner sympathischen Bescheidenheit jedoch kurz vor der Grenze zur Epik einen entspannten Rückzieher macht, wird der geneigten Hörerschaft wieder einmal überdeutlich bewusst, welch hypnotisch anziehende Ausdruckskraft sich hinter der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs Trance doch verstecken kann. Das Stück schaltet im Anschluss zwar wieder einige Gänge herunter, ist vor weiteren Übergriffen diverser Melodieelemente – sowohl synthetischer als auch organischer Natur – allerdings auch im letzten Drittel glücklicherweise nicht gefeit, wobei insbesondere der wunderbar melancholisch tänzelnden Tonfolge in einem Kurzbreak noch einmal verdient Tribut gezollt wird, ehe sie von Bassgitarre und alternativen Klangeinwürfen in angenehm subtiler Manier zur Ruhe gebettet wird, sodass das Ganze im Anschluss in Kooperation mit dem minimalistischen Untergrund in gelungener Art und Weise abgerundet werden kann. Da das gewisse Spannungsmoment in der Tat bis zur letzten Sekunde mühelos aufrechterhalten wird, steht insgesamt gesehen dem Durchmarsch pompöser 5,75/6 schließlich nichts mehr im Wege…
One Day in May auf der B-Seite erreicht dann zwar meines Erachtens nicht ganz die vielfältigen Qualitäten seines Vorgängers, hat dies jedoch auch gar nicht im Sinn, konzentriert sich der Track doch viel lieber auf seine deutlich techhousiger inspirierte Umgebung, ohne dabei den untrüglichen Hang zur Gerber’schen Melodieverliebtheit allzu sehr zu vernachlässigen. Dafür trägt beispielsweise eine bereits nach wenigen Momenten initiierte Deeptonfläche Verantwortung, welche nicht nur in regelmäßiger Manier einige erfrischende Schlenker aufs Parkett legt, sondern sich auch mit den nun immer öfter eingestreuten Boy/Girl-Vocal- und Alternativmelodiefragmenten bestens zu verstehen scheint. Zurückhaltende Basstöne unterstreichen dabei die frühlingshaft entspannte Stimmungstendenz des Ganzen, welche ab einem angedeuteten Break zudem in den kurzen, aber eindrucksvollen Genuss einer galanten Klimpermelodiefolge mit allerhand positiver Sommergefühle im Gepäck kommt, bevor das Zusammenspiel der Elemente sich wieder auf das zurückgelehnte Tagesgeschäft fokussiert. Hier und da erscheint mir das Stück zwar etwas zu wohlgefällig, punktet just in diesem Moment jedoch wieder mit feinsinnig arrangierten Melodieeinwürfen, welche in ihrer verspielten Art aber leider viel zu selten entscheidend aus dem Hintergrund heraustreten dürfen. Immerhin ist dies schimmernden Melodieloops und weiteren tiefenentspannten Vocalfragmenten im weiteren Verlauf gegönnt, sodass vor allen Dingen in der Umgebung des zweiten angedeuteten Breaks die atmosphärische Dichte ein wenig anzuziehen imstande ist und der herrliche Groove der Basstöne kurzzeitig etwas deutlicher in den Vordergrund rücken darf, bevor die Schlussgerade eingeläutet wird. Summa summarum fehlt dem Ganzen für meinen Geschmack zwar die gesunde Portion Ecken und Kanten, dieses Manko kaschiert das hiesige Stück, das mit jedem Hördurchgang wächst, mit seinen vielen interessanten, mitunter versteckten Melodiefäden und –ideen sowie seiner herrlich mediterran veranlagten atmosphärischen Komponenten allerdings äußerst geschickt, sodass ich schlussendlich auch gewillt bin, überdurchschnittliche 5/6 aus dem Hut zu zaubern.
Greetz,
:: der hammer ::