N’Abend zusammen!
Da ich mich zu Beginn dieses noch in den Kinderschuhen steckenden Jahres irgendwie mal wieder in einen gepflegten Progressive-Rausch gehört bzw. am Samstagabend bei ausgezeichneten Livesets von Robert Babicz und Nhar in Bochum getanzt habe, möchte ich eure geneigte Aufmerksamkeit heuer passenderweise mit der aktuellen EP von Ioan Gamboa aus der Reserve locken. Der aus Madrid stammende und mittlerweile in Berlin residierende Progressive-House-Feinschmecker, der sich mit seinem herausragend ätherischen Melodiespektakel "Hope" bereits still und heimlich unter meinen zwanzig favorisierten Tracks des 2011er-Jahrgangs platzieren konnte, gilt zwar immer noch – und wenn ihr mich fragt, völlig zu Unrecht – als Geheimtipp, sollte sich aber zumindest schon einmal in den Gehörgängen der hiesigen Progressive-Freunde mit seinen stets herrlich sphärisch gewürzten Stücken festsetzen können. Irgendwo in der Weite zwischen progressiven, deepen und trancigen Herrschaftsgebieten angesiedelt zeigt sich schließlich auch die Breathing EP, welche im November auf Aegyptia, dem empfehlenswerten jungen Label seinen Landsmanns David Granha, der u.a. auch einen Remix beisteuert, erschienen ist.
Bereits im Intro brodelt dem geneigten Hörer des Titelstücks Breathing eine düster umwobene Hallfläche in subtiler Manier entgegen, aus der langsam aber sicher sowohl eine kraftvolle Kickdrum als auch eine schwelende Synthiewelle entsteigen, anschließend eine nicht minder dunkelheitsaffin gestaltete, monoton rollende Bassline heraufbeschwören und damit den Eindruck eines perfekten Einstands in einen Progressive-Track weiter zementieren. Beachtliches Groove-Potenzial darf dem Untergrund jedoch ebenso wenig abgesprochen werden, während selbiger sich nun stetig zu verdichten weiß und hinter jeder Ecke ein zusätzliches Tonfolgenfragment, interessante sowie an verfremdete Vocalschnipsel erinnernde Klangeinwürfe oder die kurzzeitige Rückkehr der bekannten Synthiewelle in seine Arme schließt, um das Ganze in sphärischer Hinsicht immer deutlicher ins Zwielicht zu rücken. Besonders das Stimmengewirr, welches sowohl als flächiger Sakralbau als auch als hypnotisierend stakkatierte Hintergrundbegleitung eingeflochten ist, entpuppt sich in diesem Zusammenhang mehr und mehr zu einem tragenden Element und sorgt dafür, dass der Track in Kooperation mit dem druckvoll schiebenden Drumming eindrücklich nach vorn getrieben wird. In der Einflugschneise des Breaks tauchen zudem weitere alternative Melodieandeutungen auf, welche dort zwar zunächst noch keine große Rolle spielen, da die Konzentration auf dem spannungsgeladenen Zusammenspiel von Hall- und Stimmenklängen mit rumorenden Basslineresten liegt, aus dem Hinterhalt schnellen im weiteren Verlauf allerdings zunehmend einige arpeggiert-verschnörkelte Melodielinien heran, um nach einer dezenten Anschwellaktion inklusive Synthiewelle und der Wiedergenesung des Drummings das Ruder innerhalb der Melodieebene an sich zu reißen. Weniger nachhallverliebt, dennoch nicht minder prägend scharen die neu hinzugekommenen Melodiestrukturen alsbald sämtliche sphärischen Elemente um sich, wobei sich vor allen Dingen die wachsenden Kontraste zwischen dem pechschwarzen Untergrund mitsamt seinen erhaben düsteren Hallflächen und den leichte Hoffnungsdosen versprühenden Klanggerüstlinien für die äußerst packende Intensität verantwortlich zeigen. Mit letzterer biegt das Ganze schlussendlich auf seine Zielgerade ein, wenn auch zunächst noch kein Willen innerhalb der ständig in progressiver Manier in Instrumentierung und Arrangement veränderten Melodieanleihen für den anstehenden Rückbau zu erkennen ist. Während das Stück dann doch seine vielen Klanggewänder langsam aber widerwillig ablegt, kann der Spannungsbogen dank der treibenden Kraft der Bassline hochgehalten werden – bis zum ätherischen Stimmenflächen-Outro und der anschließenden Vergabe verdienter 5,5/6 auf der kompakten TF-Skala.
Im David Granha Remix wirkt das Originalthema dann zwar nicht mehr ganz so böse, stattdessen holt sich die Überarbeitung des Labelchefs jedoch – um in Sachen sphärischer Ausdruckskraft nicht allzu arg ins Hintertreffen zu geraten – eine schmackhafte Portion Mystik mit an Bord. Die Anlehnungen an den Gamboa-Track sind daher zu Beginn auch ausschließlich in stark fragmentierter Form zu vernehmen, während das Drumming sich parallel zu den immer wieder eingeworfenen Andeutungen der bekannten Stimmflächen zunächst noch mit minimalistischen Effekten zu garnieren weiß, im weiteren Verlauf die alternative Verwertung der Originalmelodieelemente allerdings auf Basis einer dezent brummenden Basslinwand in gekonnt-progressiver Art und Weise an Einfluss gewinnt. Angereichert mit subtilen Alternativflächenstücken gerät der Melodiereichtum dabei bereits im ersten Kurzbreak derart dicht, dass der Untergrund eine leicht elektroid inspirierte, wunderbar drückend geratene Bassline als geeigneten Gegenpol ins Rollen bringt. Indem die Melodiefragmente sich in dieser Konstellation ebenfalls weiterhin die Klinke in die Hand geben und nach kurzer Dauer auch die bekannten Stimmflächeneinwürfe und arpeggierten Melodielinien ins Geschehen eingreifen, bewegt sich das Ganze zwar für meinen Geschmack kurzzeitig etwas zu leichtsinnig auf das Original zu, im Gegenzug tauchen allerdings bereits deutlich heller arrangierte Alternativmelodietöne auf, welche dem Remix mit ihrer geheimnisvoll ummantelten Schwebetechnik eine deutlich positivere Note geben. Im anstehenden Break stehen im Anschluss bereits die nächsten alternativen Tonfolgenfragmente Spalier, um zusammen mit dem arpeggierten Melodierhythmus die mystische Note des Stücks fortwährend sanft zu intensivieren und diese nach einer dezenten Anschwellaktion auch in Kooperation mit dem nach vorn ausgerichteten Untergrund weiter zu etablieren. Da im letzten Drittel dann allerdings fast gar keine Entwicklung mehr stattfindet (zwei kurze Tonartwechsel mal ausgeschlossen) und zudem in keinem einzigen Moment mehr die gelungenen alternativen Melodiestränge mit einbezogen werden, komme ich insgesamt gesehen um einen Punktabzug nicht herum, auch wenn sich 4,75/6 immer noch mehr als passabel sehen lassen können.
One Way Path liegt dann zwar nur in einer beschnittenen Hörprobe vor, diese bietet dem neugierigen Progressive-Sympathisanten jedoch bereits all ihre Vorzüge in überzeugender Manier dar, handelt es sich hierbei doch vor allen Dingen in Sachen Annäherung an trancige Gefilde um alles andere als eine Einbahnstraße. Dieser Eindruck dürfte sich schon zu Beginn bestätigen, wenn sich uneindeutige Synthiestreifen aus dem Off schälen und mit einem effektvoll klickernden Drumming eine eher zwielichtig anmutende Symbiose eingehen. Immer wieder dezent an- und abschwellend sowie angenehm unberührt angetrieben von einer subtilen Stakkatobassline verliert sich das Ganze dabei mehr und mehr auf einem Pfad, welcher von Vocalschlieren, flächigen Echos und alternativen Synthiemelodielinien dominiert wird, ehe ein Break die Szenerie für einen kurzen Moment zu einer Verschnaufpause geleitet, im weiteren Verlauf allerdings mit den bekannten Synthies sowie allerhand noch nicht vernommener Melodiestrukturen im Gepäck schnell die nächste Intensitätsstufe anpeilt. Dass die sphärische Verdichtung auch zusammen mit dem zurückhaltenden Untergrund ein erfolgreiches Unterfangen darstellt, lässt sich besonders gut in der folgenden Phase, wenn der Track sich allmählich in Hypnose tiriliert, nachvollziehen. Durch die vielen hellen Melodiespielereien inhaliert das Ganze zwar eine gute Portion Optimismus ein, dieser ist allerdings stets mit einer angenehm psychedelischen Note versehen, sodass zu keinem Zeitpunkt der Verdacht aufkommt, dass hier in Richtung unbeschwerter Sommeratmosphäre abgebogen werden soll. In ihrer wechselwarmen Vielfältigkeit äußerst progressiv, in ihrer Wirkung herrlich trancig steht die Melodieebene summa summarum im hiesigen Track zwar am eindeutigsten im Vordergrund, dies schmälert meine Gesamtbewertung jedoch keineswegs, sondern manifestiert sich schlussendlich in einer regelrechten 5,25/6er-Punktlandung.
Greetz,
:: der hammer ::