N’Abend zusammen!
Machen wir es heute ausnahmsweise einmal kurz und schmerzlos: Eine Institution im Bereich progressiver elektronischer Musik feiert in dieser Woche ihre insgesamt einhundertste Veröffentlichung. Man mag es kaum glauben, doch mittlerweile liegen in der Tat schon mehr als zehn Jahre erfolgreiche Labelarbeit, getreu dem zeitlosen Motto „Qualität statt Quantität“, hinter John Digweeds nimmermüden Bedrock Records, nachdem alles im Jahre 1999 mit jener hervorragenden Trancescheibe begonnen hat. Dieser Umstand ist umso höher zu bewerten, bedeutet solch ein Zeitraum innerhalb der elektronischen Musikszene doch fast schon eine kleine Ära, in der unzählige Trends kamen und gingen, die Digitalisierung des Musikmarkts unaufhörlich voranschritt und letzterer dadurch heutzutage leider mit solch einer Vielzahl an belangloser Durchschnittskost überschwemmt wird, dass es im Vergleich zu „früher“ ein deutlich schwierigeres Unterfangen darstellt, sich die wahren Rosinen/Perlen/Bomben herauszupicken. Statt allzu sehr der Wehmut zu frönen möchte ich jedoch viel lieber den Bogen hinüberspannen zur aktuellen Platte des für meine musikalischen Vorlieben prägenden Labels, für welche zwei der versiertesten und talentiertesten Pferde des hauseigenen Künstlerstalls verpflichtet wurden: Sollte es jemals Zweifel an der spanisch-israelischen Freundschaft gegeben, Henry Saiz und Guy J räumen diese mit dem kleinen Finger beiseite. Danke Bedrock, auf die nächsten 100, macht ruhig so weiter!
Meridian auf der A-Seite stellt sich dann auch sogleich als lupenreine Kooperation der beiden Ausnahmeproduzenten vor, für welche sich die beiden für meinen Geschmack sogar näher an trancige Gefilde heranwagen als ein Großteil der Tracks, die (ehemalige) Protagonisten dieses Genres in diesen Zeiten unter das gemeine Volk zu werfen gedenken. Schon zu Beginn machen sich hierbei schließlich die ersten unaufgeregten Synthiewolken bemerkbar, bevor ein monoton nach vorn rollendes Drumming die Regie übernimmt und sich mit Hilfe düster schimmernder Basslinefetzen an seinen repetitiven Elementen labt. Dieser Zustand bleibt jedoch nicht allzu lang melodiebefreit, schleichen sich die flächigen Synthienebelstücke vom Beginn doch alsbald immer öfter in Position, um sich in stetig unterschiedlichen Arrangements auf dem drückenden Untergrund aufstellen zu können, wobei sich die Fragmente mal schüchtern-flächig, mal acid-inspiriert, jedoch zunehmend in Richtung klarerer Melodiestrukturen weisend präsentieren. Gemeinsam ist allen diesen Schnipseln der unbedingte Wille zur sphärischen Wärme, welche im Folgenden trotz des dunkelheitsbegeisterten Untergrunds sowie der melancholischen Zutaten der sich herauskristallisierenden Synthietonfolge überaus erfolgreich etabliert wird. Flirrende Tonflächen sowie verspielte Acidanleihen als Klangbett geben der charakteristischen Melodielinie mit dem gewissen Etwas zudem die Sicherheit, sich peu à peu tiefer in die Gehörgänge zu schrauben und dort nicht mehr locker zu lassen, bis ihr eine behagliche Wohnnische angeboten wird. Immer mal wieder eingeworfene Kurzbreaks als gelebte Verdichtung der Melodieebene werden in dieser Phase dankend angenommen, ehe im Mittelteil des Ganzen eine etwas längere Unterbrechung dann darauf hinausläuft, das Navigationssystem der Melodieebene während einer intensitätsreichen Solofahrt zu manipulieren. Nur so lässt es sich erklären, dass sich die bisherigen sphärischen Elemente ab nun mehr in den Hintergrund zurückziehen und das Drumming stattdessen alternative Schwebemelodiefragmente aus dem Ärmel zaubert. Zusammen mit dem parallel dazu an- und abschwellenden Tonflirren sowie leicht mystisch agierender Acid-Inspirationen ist die Herangehensweise im letzten Drittel dadurch zwar etwas subtiler geraten und bereitet sich meines Erachtens etwas zu früh auf den anstehenden Rückbau vor, dies schmälert den hervorragenden Gesamteindruck jedoch nur marginal, sodass die Vergabe prächtiger 5,5/6 imho zu keinem Moment in Gefahr gerät.
Für La Marea auf der B-Seite zeigt sich dann zwar Henry Saiz im Alleingang verantwortlich – dass der Spanier als Solokünstler allerdings nicht minder vernarrt in die Entfaltung nachdrücklicher Atmosphärenschichten ist, stellt der hiesige Track ebenso wie sein Vorgänger von Beginn an unmissverständlich klar. Die Stimmungslage gestaltet sich hier im direkten Vergleich nichtsdestotrotz eine mehr als gesunde Dosis sommerlicher dar und ist in der Lage, trotz der schon nach wenigen Momenten Einwirkdauer initiierten Hauptmelodielinie genügend progressive Drehungen und Wendungen abzuliefern, die jeglichen Anbandlungen von Langeweile einen gepflegten Tritt in den Allerwertesten verpassen. Unterlegt mit mediterran anmutenden Percussions sind es schon bald die ersten Andeutungen einer stakkatierten Tonfolge, welche sich mit harmonischer Flächenbegleitung sowie zusehends dichter anmutendem Drumminggestrüpp dazu aufmachen, das Ganze in Richtung äußerst sonnendurchfluteter Gefilde zu verführen. Weitere entspannte Alternativflächenstücke im Break sowie eine sich im Anschluss daran langsam aber sicher aus dem Untergrund herausschälende Bassline herrlich groovender Natur tragen allerdings leider nicht unbedingt dazu bei, die sphärische Komponente aus ihrer Hängematte herauszubewegen. Erst einige kurzzeitig eingeschobene schiefe Töne sind schließlich imstande, zusammen mit den alternativen Flächen aus dem Break den Track aus seiner Tiefenentspannung zu locken und das positive Ambiente passend zu verdichten, sodass sogar die stakkatierte Hauptmelodielinie sich schlussendlich dazu bewogen fühlt, mittels unterschiedlicher Instrumentierungen variabler auf den melodiedurchtränkten Plan zu treten. Im nächsten Break lichtet sich diese ereignisreiche Entwicklung zwar wieder derartig weit, dass das Stück zwischenzeitlich sogar mit nächtlichem Zikadengezirpe als Hauptdarsteller liebäugelt, im weiteren Verlauf wird der markanten Melodiefolge aber glücklicherweise doch noch einmal der rote Teppich ausgerollt. Dass jene die von allerhand alternativen Effekt- und Tonfragmenteinwürfen gepflasterte Einladung ohne Skrupel annimmt, sei ihr nicht zu verdenken, leitet dieser Umstand doch schließlich spielend leicht über zur letzten überzeugend geratenen Intensitätssteigerung des hiesigen Tracks, der ebenfalls bald nicht mehr ohne 5,5/6er-Krone aus dem Haus gehen muss.
Greetz,
:: der hammer ::