N’Abend zusammen!
Kaum sind die Tracks der letzten, überaus gelungenen Traum-EP halbwegs verklungen, schiebt das aus heimischen Gefilden stammende Produzentenduo Microtrauma, bestehend aus Ricardo Linke und Daniel Päßler, auch schon einen nicht minder überzeugenden Nachfolger in den kaum zu durchdringenden Veröffentlichungsmarkt der elektronischen Musikszene hernach. Ebenso wie beim Vorgänger erwartet die tellerrandinteressierte Hörerschaft hierbei einen lust- und gehaltvollen Zwitter aus technoiden, progressiven, minimalen und trancigen Einflüssen, welcher insgesamt betrachtet für meinen Geschmack einfach immer noch am besten mit dem schön schwammigen Begriff „Atmospheric Techno“ charakterisiert wird. Wer auch nur ansatzweise etwas mit den Klängen von Dominik Eulberg, Stephan Bodzin, Sasha, Secret Cinema, Maxime Dangles, Max Cooper, James Zabiela, Henry Saiz, Electric Rescue, Kiko, Steve Lawler oder Sébastien Léger anfangen kann (ich zitierte einen Auszug aus der Supporterliste von Microtrauma), sollte auf jeden Fall nicht den Frevel besitzen und eine Hörprobe der vor einem Monat erschienenen und Emilia EP getauften Trackzusammenstellung (drei Eigenkompositionen plus drei Remixarbeiten) – aus welchem Grund auch immer - verschmähen. Rezensierende Satzungetümer gibt’s als Belohnung schließlich noch obendrauf!
Beginnen wir doch einfach mal ganz bescheiden mit dem herausragendsten Stück der EP, welches auf den Namen Circulate hört und mit einer einprägsamen, aber glücklicherweise nicht überproduzierten Akkordfolge die Aufmerksamkeit des gemeinen Hörers für sich zu gewinnen weiß. Angelegt in arpeggierter Art und Weise kann sich die Melodielinie dabei bereits nach wenigen Momenten anregend dezent in Szene setzen und in kurzer Zeit eine interessante Entwicklung vom etwas holprigen Stakkato hinein in ein messerscharf nach vorn ausgerichtetes Gewand hinlegen, während im Untergrund eine knochentrockene Kickdrum ihr Unwesen treibt und alsbald erste mystisch wirkende Klicker- und Knistereffekte anzuziehen weiß. Mit unglaublicher Liebe fürs Detail arrangiert entpuppen sich letztere dann mehr und mehr als spannender Kontrastpunkt zu den immer präsenteren Melodietönen, welche in Zusammenarbeit mit in der Zwischenzeit dazugekommenen Flächenandeutungen den Track mit ihrer ganz eigenen Atmosphäre irgendwo zwischen geheimnisvoller Melancholie und anziehender Spätsommerwärme beglücken können. Ein Quasi-Break inklusive fiebrigem Effektdickicht später ist die Melodiefolge schließlich endgültig im Olymp der Melodieebenen angekommen und versetzt den Hörer mit ihren feinsinnigen Verstrickungen, Akzentuierungen und Duellen mit den mittlerweile omnipräsent agierenden Effekteinwürfen nicht nur ins Staunen, sondern auch in einen nahezu tranceartigen Zustand, während in den tieferen Etagen des Stücks eine düster dreinschauende Basslinewand das Rundum-Sorglos-Paket für alle Atmospheric-Techno-Sympathisanten abrundet. Progressiv beeinflusste Abwechslung wird hier jedoch auch im weiteren Verlauf besonders groß geschrieben, tritt die markante Melodielinie doch hinter jeder leichten Trackbiegung in alternativer Instrumentierung und/oder Intensität auf und scheut sich zudem nicht davor, gepflegt durch den Verzerrer gejagt zu werden. Am Ende dieser höhepunktreichen Reise steht schließlich ein Break, in welchem noch einmal sämtliche Melodiegewänder anprobiert werden, ehe in den finalen zwei Minuten der Fokus wie zu Beginn wieder auf der dezenteren Arpeggio-Variante liegt, mit welcher das Ganze angenehm düster schimmernd seine Zielgerade begroovt und von dort beeindruckende 5,75/6 für die heimische Trophäenvitrine mitnimmt.
Outcry geht seine Sache im Anschluss zwar in Sachen sphärischer Entfaltung weitaus weniger episch an, in Sachen produktionstechnischer Ausgefeiltheit kann es das Stück mit seinem Vorgänger jedoch locker aufnehmen. Dies wird bereits nach wenigen Augenblicken Einwirkzeit deutlich, wenn sich die einzelnen Drumming-Bausteine vorstellen und zu einem feinsinnig austariert rollenden Untergrund verschmelzen, welcher nach einem ersten kurzen Stelldichein verzwirbelter Melodiefragmente zudem mit einer gehaltvoll dunkelheitsaffinen Basslinewand verstärkt wird. Aus dieser entsprießen im weiteren Verlauf nun immer öfter wellenartige Subbass-Anschwellaktionen, die mit der parallel dazu steigenden Klickerdichte ein herrliches perkussives Schauspiel aufs Parkett legen, welches auch ohne Melodiekomponente zu überzeugen weiß. Nichtsdestotrotz bahnt sich im Untergrund alsbald dann doch eine erste schummrige Fläche an, welche in einem Kurzbreak in vollends angeschwollener Düsternis auch die zuvor einmal kurz eingespielten Melodiefragmente zitiert, dann aber wieder in sich zusammenfällt, sodass sich zusammen mit dem detailreichen Drumming im weiteren Verlauf eine alternative Tonfläche als Nutznießer dieser Entwicklung etabliert und mit leicht rotierenden Bewegungen zudem die Gunst hellerer Alternativflächenstücke gewinnt. Im Auf und Ab der sphärischen Intensität haben jedoch auch die bekannten Tonschnipsel vom Beginn Platz und mutieren im Folgenden zusammen mit einem herrlich melancholischen Synthiefaden mit ihren einnehmenden Charakterzügen zum Zugpferd der hiesigen Melodieebene. Besonders eindrucksvoll ist dieses Szenario im anstehenden nachtdunklen Break inszeniert, ehe nach dieser überzeugenden Soloeinlage inklusive sachtem Ausscheren wieder das druckvolle Drumming das Ruder an sich reißt und in kontrastreich monotoner Manier das Ganze zu Ende führt. Insgesamt gesehen ist das Stück zwar deutlich an den Klangkosmos eines Max Cooper angelehnt, mehr als solide 5/6 sollten meines Erachtens hier aber trotzdem auf jeden Fall in der Verlosung mit von der Partie sein.
Apropos, im umfangreichen Paket der Überarbeitungen von Circulate ist dann sogar ein Max Cooper Remix enthalten (welche eine Überleitung!), der sich wiederum wenig überraschend recht stark am Original entlanghangelt. Die charakteristischen Arpeggio-Melodielinien werden nun aber von einem noch etwas verschachtelteren Drumming angetrieben, sodass das Ganze sich zunächst deutlich bodenständiger bewegt, ehe sich nach und nach extraterrestrisch anmutende Stimmenflächen dazugesellen und das Ganze mitsamt einiger Verzerrerattacken deutlich zu verdichten wissen. Da letztere zunehmend weniger dezent ausfallen und auch die Melodieebene immer noch eine weitere (alternative) Schicht parat hält, entwickelt sich bald dann doch ein typisch Cooper’sches Klanginferno, welches mir trotz zeitweise etwas zu wenig Eigeninitiative immer noch gesunde 4,5/6 wert ist. Der Mononoid Remix gefällt mir in dieser Hinsicht um Einiges besser, wird hier doch deutlich mehr Wert auf eine alternative Interpretation des Originals gelegt. Diese fällt nach einem bedrohlich sirrenden Intro zunächst gemäßigt düster aus, präsentiert sich im Zusammenhang mit zahlreichen passend eingesetzten Effekten und Klickereien sowie immer wieder gefährlich anbahnenden Flächenfragmenten aber zunehmend druckvoller. Alternative Melodiesprengsel in heller Instrumentierung sowie elektroid inspirierte Flächenwellen schärfen daneben die Kontraste, ehe das anstehende Break schließlich eine weitere Salve Melodiebruchstücke initiiert, welche anschließend in Kooperation mit dem Drumming eine überaus spannende Auslegung der Original-Arpeggios an den Tag legt. Eine sowohl sphärisch ansprechend als auch cluborientierte Überarbeitung, die mir auf jeden Fall 5,5/6 wert ist. Der Morris Cowan Remix liebäugelt zuguterletzt wieder deutlich offensiver mit den arpeggierten Originalklängen, beschickt diese jedoch mit einigen nervigen Spielkonsolentönen sowie monotonen Nadelstichen, während im Untergrund Acid-Einwürfe für etwas Abwechslung in diesem ansonsten in meinen Ohren etwas leiernden Remix sorgen. Daran trägt imho vor allen Dingen die loopartige Verstärkung der bekannten arpeggierten Melodielinie Schuld, welche auch in leicht alternativer Instrumentierung keine bessere Figur macht. Alles in allem kommt mir hier einfach zu viel Mucker-Attitüde zum Vorschein, sodass ich nicht mehr als 4/6 vergeben kann.
Last but definitely not least befindet sich auf der EP allerdings auch noch ein herrliches Ambient-Electronica-Kleinod, welches ersterer augenscheinlich zu ihrem Namen verholfen hat (Emilia im Ambient Rework). Die Trümpfe dieses traumwandlerisch arrangierten Stücks liegen auf der Hand: durch die angenehm zurückgelehnt-sommerliche Atmosphäre geisternde Pianotöne, verträumte Flächenuntermalung, organisches Drummingbett, dezent mäandernde Bassline, subtil schimmernde Begleitmelodielinien sowie von allen Zwängen befreite Glockenspielklänge. Microtrauma scheinen sich also auch in weniger BPM-orientierteren Gefilden auszukennen, wie dieses 5,5/6er-Machwerk meines Erachtens eindrücklich unter Beweis zu stellen vermag.
Greetz,
:: der hammer ::