Âme "Rrose Sélavy / Junggesellenmaschine"

Track Rating
4.0 / 6
(2 Bewertungen)
  • N'Abend zusammen!

    Nachdem das Karlsruher Produzentenduo Âme (nur echt mit „accent circonflexe“!), bestehend aus Kristian Beyer und Frank Wiedemann, den Weg in die hiesige Tracksrubrik ausschließlich über ihr bisher bekanntestes Stück namens Rej geschafft haben, möchte ich mit der Vorstellung einer frischen Platte der beiden ein wenig Entwicklungshilfe leisten. Schließlich wird auch darauf wieder einmal eine überaus geschmackssichere Mischung zelebriert, welche sich vom großen Grabbeltisch der elektronischen Musik nur die besten Essenzen herausgesucht hat und dabei ein atmosphärisches Kind geboren hat, welches nicht nur den Weg für neue Hörgewohnheiten freimacht, sondern - gibt man dem Ganzen etwas Zeit - eine ungeheure Faszination zu entfalten weiß. Erschienen ist der Two-Tracker auf jeden Fall im Juli auf dem hauseigenen Label Innervisions und wartet nur darauf, die Grenzen eures musikalischen Tellerrands auszutesten… ;)

    Das auf den ersten Blick recht exotisch betitelte Rrose Sélavy entpuppt sich nach kurzer Wiki-Recherche als Künstlername des französischen Malers Marcel Duchamp (1887-1968), welcher bei korrekter Aussprache den gleichen Klang haben sollte wie „Eros, c’est la vie“. Ob allein die frankophile Ader der beiden Produzenten hier ausschlaggebend für die Wahl des Tracknamens war, lässt sich wohl nur spekulieren, halten wir uns also besser wieder an die Fakten und konstatieren, dass das dazugehörige Stück sich zu Beginn in gemächlicher Geschwindigkeit erst einmal genug Zeit nimmt, sich seine Zutaten zusammenzusuchen. Dazu gehören im Einzelnen rumpelnde Drummingausschmückungen, ein dezent sirrender Hintergrundton sowie ein alsbald in die Runde geworfenes Basslinefragment, auf welchem sich nun langsam aber stetig die ersten Melodieandeutungen sammeln und zunächst noch in losem Zusammenhang auf den Plan treten. Tiefergelegte Vocalsamples, geheimnisvolle Wortmeldungen von einigen Streichern sowie der mittlerweile immer mal wieder sanft ausbrechende Hintergrundton paaren sich dabei mit klimpernden Melodieeffekten und kurzen Tonschreien, sodass das Ganze mehr und mehr ein überaus spannungsgeladenes Ambiente entfalten kann. Im weiteren Verlauf erhalten die äußerst feinsinnig arrangierten Melodieelemente dann peu à peu mehr Spielraum und lassen die sphärische Ader des Stücks zunehmend von mystischen in Richtung melancholischer Gefilde hinüberlaufen, in welchen der gemeine Hörer sich wunderbar verlieren kann. Dazu trägt auch der überaus progressiv gestaltete Trackaufbau bei, sodass in ständig neuen Zusammensetzungen der sphärischen Elemente trotz der minimalen Ausrichtung des Ganzen in meinen Ohren keinerlei Anflug von Langeweile auszumachen ist – ganz im Gegenteil gerät das Stück immer dichter und stellt dabei zudem in regelmäßigen Abständen neue (mal mehr, mal weniger) abstruse Elemente vor. Unterbrochen wird der Fluss nur von einem kleinen Break, in welchem fast jedes Melodiefragment kurzzeitig einmal durch den Vordergrund huscht, ehe die kantigen Geräusche einer alten, schon lange nicht mehr geölten Maschine gekonnt Nadelstiche setzen und das Drumming wieder aus dem verstaubten Keller holen. In dieser Phase müssen sich die vielseitigen melodischen Ansätze zwar zunächst mit der Zuschauerrolle begnügen, setzen sich aber im letzten Drittel dann doch noch ein letztes Mal durch, um dem Ganzen die finale Melancholie einzuhauchen, bevor ein subtil rumpelndes Outro schlussendlich die imho mehr als verdienten 5,5/6 für dieses außergewöhnliche Hörerlebnis unter Dach und Fach bringt. :yes:

    Wem der vorangegangene Track zu abgefahren war, sollte allerdings nicht den Fehler begehen, die auf der B-Seite befindliche Junggesellenmaschine in denselben Topf zu werfen und eine Hörprobe zu schmähen. Schließlich zeigt sich erwähntes Stück im internen Vergleich etwas weniger verkopft und dafür eine gute Prise zugänglicher, wenngleich wir es hier natürlich immer noch mit einem Gesamtkunstwerk zu tun haben, welches erfahren werden möchte und daher zum entspannten Nebenbeihören ebenso wenig geeignet ist wie sein Vorgänger. Dennoch ist das Ganze hier eine gute Ecke druckvoller angelegt, wovon die schlackernden Melodieloops bereits von der ersten Sekunde an erzählen und mit zunehmender Dauer in dieser Einstellung von einer grummelnden Basslinewand, in dezenter Manier klingelnden Begleittönen sowie allerhand im Hintergrund raunenden Vocalsamples unterstützt werden. In atmosphärischer Hinsicht werden dabei zunehmend düstere Gefilde angepeilt, wobei als Eingangsschleuse ein hervorragend in Szene gesetztes Zisch-Stakkato passiert wird, ehe sich aus dem techhousigen Untergrund heraus eine prägnante Melodieebene emanzipiert und langsam aber stetig in Form einer sphärisch sehr intensiv anmutenden Flächenansammlung sowie monoton schnappender Stakkatotöne im Hintergrund zu einer Säule des hiesigen Stücks avanciert. Besonders das kontrastreich-progressive Zusammenspiel aus dunklem Untergrund und den variationsreichen Melodieversatzstücken weiß in diesem Zusammenhang zu gefallen und nimmt die Hörerschaft, sofern sie sich darauf einlässt, in ihrer Intensität regelrecht gefangen. Abrupt aufgeschreckt durch das anstehende Break stehen dann zwar kurzzeitig die monotonen Begleittöne im Vordergrund, lassen sich jedoch recht schnell wieder zerhackstückeln und ins Exil jagen, sodass nach einem kurzen Moment der Besinnung schließlich das wiedereinsetzende Drumming mitsamt der wunderbar düster grummelnden Basslinewand dankbar den freigewordenen Platz einnimmt. Selbiger ist ihnen jedoch nicht allzu lang als Experiment für eine Solofahrt zugedacht, denn aus dem Untergrund meldet die bekannt verschrobene Melodieebene deutlich Ansprüche an, den Track noch einmal sphärisch zu intensivieren. Abgerundet durch diese letzte Verdichtung, in der sich zum Abschluss in Form von entspannten xylophon-artigen Alternativtönen sogar so etwas wie Milde nach dieser aufwühlenden Klangreise breitmacht, konzentriert sich das Ganze nunmehr auf seinen herrlich subtil vorgetragenen Rückbau sowie die Entgegennahme glänzender 5,5/6. :D


    Greetz,
    :: der hammer ::